Mittlerweile ist die Corona-Pandemie Teil unseres alltäglichen Lebens. Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen sind nur zwei Aspekte des "new normal". Dies war natürlich nicht immer so, noch Anfang dieses Jahres hatten viele von uns große Pläne für 2020. So auch Sönke, Masterstudent aus Münster und WINet-Mitglied. Sönke wurde durch den WINet-Fördertopf für ein Auslandssemester an der Griffith University in Australien unterstützt. Auch wenn seine Zeit dort schlussendlich deutlich anders verlaufen ist als geplant, zieht Sönke trotzdem eine positive Bilanz. Für das WINet hat er einen Erfahrungsbericht geschrieben, der gleichzeitig auch als guter Rückblick auf die chaotische Zeit im Frühjahr 2020 dient:
In einiger Zeit wird vermutlich jeder für sich auf die Corona-Pandemie zurückblicken und seine ganz eigene Geschichte mit dieser Zeit verbinden. Meine Geschichte beginnt dann am 14. Februar am Flughafen Frankfurt: Nach meinem 3. Mastersemester will ich die letzten Credits meines Masters in Brisbane an der Universität sammeln und natürlich das Land und die Leute kennenlernen. Ich will so viel wie möglich von Australien sehen, dem Land mit dieser einmaligen Natur, von dem dir jeder Zweite ungefragt auf WG-Partys erzählt, wie schön es dort ist.
Dass diese Reise nicht völlig reibungslos verlaufen wird, ist schon vor dem Abflug klar: Das Reisebüro über das ich ein Ticket mit offenem Rückflug gebucht habe, hat mich auf ein überbuchtes Flugzeug gebucht und muss erstmal einen anderen Flieger für mich finden. Somit verzögert sich der Start bereits um 12 Stunden. Weil es dann beim Zwischenstop auch noch mal etwas länger dauert, bin ich statt 28 Stunden am Ende 47 Stunden unterwegs, bis ich in Brisbane von einem Abholdienst zu meinem vorübergehenden Airbnb-Zimmer gebracht werde. Das Corona auch hier schon ein Thema ist merke ich, als mir der Airbnb-Host zur Begrüßung versichert „dass er keine Chinesen mehr aufnimmt“ und ich deswegen unbesorgt gern noch ein paar Nächte länger bleiben könne. Ich entscheide mich dann jedoch bei meinem Plan zu bleiben und nach drei Nächten in ein Zimmer bei einem jungen australischen Pärchen einzumieten, bei denen ich unbefristet unterkomme.
Auch an der Uni klappt mit den geplanten Kursen am Anfang wenig, aber im Endeffekt kann ich die Unklarheiten mit Kursen und Anrechnungen nach den ersten zwei Wochen regeln. Und während ich mich langsam ein wenig wie zu Hause fühle und meinen Alltag gefunden habe, beginnt es, dass in verschiedenen Whatsapp-Gruppen fast täglich Fotos von Flughäfen und Verabschiedungen gepostet werden, weil die ersten Mitstudierenden in ihre Heimat zurückkehren. Am Anfang sind es vor allem Amerikaner, die zurückmüssen, weil die monatliche finanzielle Unterstützung von der Trump-Administration gestrichen werden. Am Ende weiß ich selbst noch von drei Gleichgesinnten, die weiterhin bleiben wollen, als ich abreise. Während in Deutschland bereits über Maskenpflicht und Schulschließungen diskutiert wird, kommen die gleichen Themen etwa 10-14 Tage später auch vor Ort auf. Ich höre am einen Tag wie es in der Heimat läuft und erlebe es sehr ähnlich einige Tage später noch einmal. Surreal.
Meine Kurse werden auf „Online-only“ umgestellt und ich beginne noch einmal die Kurswahl zu überdenken. Ich entscheide mich einen Kurs zu wechseln, damit ich nicht von Gruppenarbeiten abhängig bin, sondern alles selbstständig machen kann. Die Kurse, die ich wähle werde ich letztlich aus meinem Kinderzimmer in der Nähe von Hamburg und zum Teil nachts um 3 Uhr abschließen. Klausuren schreibe ich z.T. online und morgens um 5 Uhr. Der klar interessanteste Kurs ist dabei Big Data and Social Media Analysis und wird von einem Professor gehalten, der vor 10 Jahren von Hamburg nach Australien ausgewandert ist. Bei ihm analysieren wir das Semester über die APIs von Twitter, Spotify und YouTube die Social-Media-Aktivitäten unserer Lieblingsband. Es ist wirklich die erhoffte Ergänzung zu meinen Kursen in Münster.
Nachdem aber in der dritten März-Woche auch die Uni-Gebäude komplett geschlossen werden und alle außeruniversitären Aktivitäten längst untersagt sind, beginne ich zu realisieren und richtig zu verstehen, dass ein normales Auslandssemester eigentlich anders abläuft und es besser ist, eher zurückzukehren. Zwar ist Brisbane ein Corona-Hotspot, aber die Zahlen sind nicht mit Europa vergleichbar. Corona ist sogar eine Art Ereignis für die Leute, weil der Schauspieler Tom Hanks mit Covid-19 ein paar Tage im Universitätskrankenhaus behandelt wird.
Mein Open-Return-Ticket buche ich vom Juli flexibel auf die erste April Woche um. Ich möchte noch nach Sydney und anschließend nach Melbourne, um dann von dort nach Hause zu fliegen. Die Fluggesellschaften versichern, dass der Flugverkehr bis mindestens Anfang April aufrecht erhalten bleibt. Ich sitze trotzdem schon sicherheitshalber auf gepackten Koffern.
Am Sonntag der dritten März-Woche wird mein umgebuchter Flug kommentarlos storniert und die Gemengelage wird zunehmend unübersichtlich. Nach einem kurzen Moment entscheide ich für mich, dass es jetzt nur noch darum geht, nach Hause zu kommen. Die Auswahl an Alternativ-Flügen ist nur noch gering, weil die großen Fluggesellschaften Emirates und Etihad Europa nicht mehr anfliegen. Ich finde auf einem Online-Portal noch einen Flug, mit 18 Stunden Aufenthalt in Tokyo, nach Düsseldorf. Meine Vermieter sind flexibel und nachdem ich mein Surfbrett verkauft habe, sitze ich schon 16 Stunden später in einem Flieger. Es ist der vorletzte Tag an dem für die nächsten Wochen Interkontinental-Flüge nach Europa gehen.
Und so endet mein Auslandsaufenthalt vorzeitig. Die Kurse schließe ich von zu Hause aus ab.
Wenn ich auf diese Wochen zurückblicke, ist es trotz allem keine ganz verlorene Zeit. Ich bin ganz weit weg davon, mit den Entwicklungen zu hadern oder mich irgendwie zu beklagen. Ich habe am Ende doch einiges vom Land gesehen und tatsächlich für kurze Zeit den Alltag gehabt, den ich erleben wollte. Es reicht auf jeden Fall, um Anderen davon ungefragt auf WG-Party zu erzählen. Und ich habe viel gelernt. Über mich und darüber, wie ich mit solchen wirklich herausfordernden Situationen umgehe und eigenständig das Beste daraus mache. Und ich habe gelernt, dass man immer ein paar Hundert Euro für Notfälle, wie eine globale Pandemie, in der Reisekasse haben sollte.
Das WINet hat mich direkt und unkompliziert dabei unterstützt, dass ich mir dieses kostspielige Vorhaben zutrauen und finanziell stemmen konnte. Dafür bin ich sehr dankbar! Meiner Meinung nach ist Bildung der Schlüssel zur Lösung sehr vieler Probleme. Der Zugang zu Bildung wird aber immer noch zu einem wesentlichen Teil über den Geldbeutel bestimmt. Daher bin ich sehr dankbar und finde es richtig, dass solche Vorhaben unterstützt werden. Abschließend möchte ich noch die Gelegenheit nutzen, jeder Studentin und jedem Studenten, die mit dem Gedanken spielen ins Ausland zu gehen, dazu ermutigen. Wirklich schlimmer kann es kaum kommen und selbst ich fand’s gut. Falls also jemand Fragen zur konkreten Organisation hat oder erstmal nur mit dem losen Gedanken spielt ins Ausland zu gehen, könnt ihr euch gern über das WINet bei mir melden!
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